Kurz nach dem letzten Blogeintrag vor knapp 3 Wochen bin ich dem Großstadtdschungel entflohen und nach Ubatuba gefahren. Die Stadt liegt 80km von Sao Paulo entfernt und gilt als die Surfer-Hauptstadt Brasiliens. Das Stadtgebiet erstreckt sich über mehrere dutzend Kilometer an der Küste entlang. Die vielen Strände reihen sich in kleinen Buchten aneinander, die wiederum vom Urwald umgeben sind. Ein wunderbares Kontrastprogramm zum grauen Großstadtalltag. Hier habe ich mit Freunden von der Sprachschule in einer kleinen aber sehr schönen Herberge gelebt, die sich nur wenige Meter vom Strand entfernt befand. Tagsüber verbrachten wir die Zeit am Strand und ich konnte das erste Mal Surfen ausprobieren. Im Vergleich zum Snowboarden und Wakeboarden ist es wirklich sehr viel schwieriger, aber nach einer Eingewöhnungsphase nicht minder spaßig.
Abends ging es dann zum Schlemmen. Brasilien ist mit Abstand das kulinarisch bestentwickelste Land dieser Reise! Tradition hat beispielsweise Churrassco - hier geht man in ein extra dafür ausgelegtes Restaurant und kann neben dem riesigen Buffet zwischen 20-40 verschiedenen Fleischsorten wählen. Die Kellner kommen mit einem großen Spieß an den Platz und schneiden für jeden Gast frische Portionen ab. Dazu haben sie jede Menge Information über das entsprechende Stück Fleisch parat. Sehr beliebt ist auch das Essen nach Gewicht zu berechnen. Man schlägt sich den Teller am Buffet mit allen bekannten/unbekannten Köstlichkeiten voll (frisch gegrilltes Fleisch darf natürlich nicht fehlen), am wird alles gewogen und man bezahlt nach Gewicht. Das ist für mich extrem vorteilhaft, da ich mich nicht für ein Gericht entscheiden muss. (Gruß an meine Schwester an dieser Stelle, die sich immer fürchterlich über meine Unentschlossenheit im Restaurant aufregt) In Ubatuba haben wir dann das Pizza-Rodizio ausprobiert. Das ist im Grunde Pizza-All-u-can-eat. Es werden die ganze Zeit unentwegt verschiedene Pizzen an den Platz gebracht und man kann entscheiden, ob man diese Art kosten will oder lieber auf die nächste Sorte wartet. Als Nachtisch zu den 80 unterschiedlichen Pizzen gab es: süße Pizza, d.h. Pizza mit Nutella + Banane, Pizza mit Honig + Banane und meine Liebtlingspizza: Pizza mit Schokosoße, Eis und Erdbeeren.
Nun zu meiner Arbeit: Ich mache zur Zeit ein Praktikum bei der deutschen Auslandshandelkammer und das in der Außenwirtschaftsabteilung. Bisher gefällt mir die Arbeit sehr gut. Wir erstellen u.a. Marktanalysen für deutsche Unternehmen, die in Brasilien importieren bzw. produzieren wollen. Das kann sehr interessant sein, da Firmen zum Teil Produkte importieren wollen, die es in Brasilien oder überhaupt nocht gar nicht gibt. Dementsprechend anspruchvoll ist es dann, die gewünschten Informationen zu beschaffen und einzuschätzen ob ein Markteintritt erfolgreich sein könnte. Des Weiteren gefällt mir, dass man sowohl im Team als auch größtenteils selbstständig arbeitet. Man hat beispielsweise 3-4 Wochen Zeit diesen 30seitigen Bericht in Eigenverantwortung zu erstellen, aber spricht sich während dessen auch immer mit den brasilianischen Kollegen ab, die einen Teil der Recherche übernehmen. Hierbeit ist sehr interessant, wie unterschiedlich Brasilianer und Deutsche an ein Problem gehen - man kann wirklich von verschiedenen kulturellen Arbeitsansichten reden. Auch die sprachliche Vielfalt kommt nicht zu kurz. Ich versuche so oft wie möglich in portugiesisch zu kommunizieren, bekomme meine Antworten dann in deutsch oder englisch. So verbessern die Brasilianer ihr deutsch/englisch und die Deutschen ihr portugiesisch. Hierbei tauchen manchmal witzige Sprachfehler auf. Mein brasilianischer Kollege Pedro hat heute beispielsweise festgestellt, dass die Croissants doch wieder total lecker stinken (und nicht etwa riechen). Die Stimmung ist dementsprechend gut und nach der Arbeit oder am Wochenende geht man auch gerne zusammen weg.
Besonders gut eigenen sich dazu die Spiele der deutschen bzw. brasilianischen Mannschaft. Für beide sind wir freigestellt und dürfen früher von Arbeit gehen. Ohnehin flippen die Brasilianer zur WM total aus. Jeder hat frei, wenn die Selecao spielt - es ist unglaublich. Bereits Stunden vor Anpfiff verstopfen tausende Autos die Straßen, alle wollen nach Hause und versuchen sich durch zu Hupen. Der Anteil an Personen mit brasilien Trikot oder zumindest Landesfarben liegt bei gefühlten 70%. Nicht auszudenken was passiert, wenn die Weltmeisterschaft gewonnen werden würde....