Dienstag, 22. Juni 2010

Ubatuba, WM und Marktanalysen

Nach nun doch etwas längerer Zeit komme ich wieder zum Schreiben. Mein erster Monat Brasilien liegt nun hinter mir und ich kann ein sehr positives Fazit ziehen. Aber nun ersteinmal chronologisch:

Kurz nach dem letzten Blogeintrag vor knapp 3 Wochen bin ich dem Großstadtdschungel entflohen und nach Ubatuba gefahren. Die Stadt liegt 80km von Sao Paulo entfernt und gilt als die Surfer-Hauptstadt Brasiliens. Das Stadtgebiet erstreckt sich über mehrere dutzend Kilometer an der Küste entlang. Die vielen Strände reihen sich in kleinen Buchten aneinander, die wiederum vom Urwald umgeben sind. Ein wunderbares Kontrastprogramm zum grauen Großstadtalltag. Hier habe ich mit Freunden von der Sprachschule in einer kleinen aber sehr schönen Herberge gelebt, die sich nur wenige Meter vom Strand entfernt befand. Tagsüber verbrachten wir die Zeit am Strand und ich konnte das erste Mal Surfen ausprobieren. Im Vergleich zum Snowboarden und Wakeboarden ist es wirklich sehr viel schwieriger, aber nach einer Eingewöhnungsphase nicht minder spaßig.



Abends ging es dann zum Schlemmen. Brasilien ist mit Abstand das kulinarisch bestentwickelste Land dieser Reise! Tradition hat beispielsweise Churrassco - hier geht man in ein extra dafür ausgelegtes Restaurant und kann neben dem riesigen Buffet zwischen 20-40 verschiedenen Fleischsorten wählen. Die Kellner kommen mit einem großen Spieß an den Platz und schneiden für jeden Gast frische Portionen ab. Dazu haben sie jede Menge Information über das entsprechende Stück Fleisch parat. Sehr beliebt ist auch das Essen nach Gewicht zu berechnen. Man schlägt sich den Teller am Buffet mit allen bekannten/unbekannten Köstlichkeiten voll (frisch gegrilltes Fleisch darf natürlich nicht fehlen), am wird alles gewogen und man bezahlt nach Gewicht. Das ist für mich extrem vorteilhaft, da ich mich nicht für ein Gericht entscheiden muss. (Gruß an meine Schwester an dieser Stelle, die sich immer fürchterlich über meine Unentschlossenheit im Restaurant aufregt) In Ubatuba haben wir dann das Pizza-Rodizio ausprobiert. Das ist im Grunde Pizza-All-u-can-eat. Es werden die ganze Zeit unentwegt verschiedene Pizzen an den Platz gebracht und man kann entscheiden, ob man diese Art kosten will oder lieber auf die nächste Sorte wartet. Als Nachtisch zu den 80 unterschiedlichen Pizzen gab es: süße Pizza, d.h. Pizza mit Nutella + Banane, Pizza mit Honig + Banane und meine Liebtlingspizza: Pizza mit Schokosoße, Eis und Erdbeeren.

Nun zu meiner Arbeit: Ich mache zur Zeit ein Praktikum bei der deutschen Auslandshandelkammer und das in der Außenwirtschaftsabteilung. Bisher gefällt mir die Arbeit sehr gut. Wir erstellen u.a. Marktanalysen für deutsche Unternehmen, die in Brasilien importieren bzw. produzieren wollen. Das kann sehr interessant sein, da Firmen zum Teil Produkte importieren wollen, die es in Brasilien oder überhaupt nocht gar nicht gibt. Dementsprechend anspruchvoll ist es dann, die gewünschten Informationen zu beschaffen und einzuschätzen ob ein Markteintritt erfolgreich sein könnte. Des Weiteren gefällt mir, dass man sowohl im Team als auch größtenteils selbstständig arbeitet. Man hat beispielsweise 3-4 Wochen Zeit diesen 30seitigen Bericht in Eigenverantwortung zu erstellen, aber spricht sich während dessen auch immer mit den brasilianischen Kollegen ab, die einen Teil der Recherche übernehmen. Hierbeit ist sehr interessant, wie unterschiedlich Brasilianer und Deutsche an ein Problem gehen - man kann wirklich von verschiedenen kulturellen Arbeitsansichten reden. Auch die sprachliche Vielfalt kommt nicht zu kurz. Ich versuche so oft wie möglich in portugiesisch zu kommunizieren, bekomme meine Antworten dann in deutsch oder englisch. So verbessern die Brasilianer ihr deutsch/englisch und die Deutschen ihr portugiesisch. Hierbei tauchen manchmal witzige Sprachfehler auf. Mein brasilianischer Kollege Pedro hat heute beispielsweise festgestellt, dass die Croissants doch wieder total lecker stinken (und nicht etwa riechen). Die Stimmung ist dementsprechend gut und nach der Arbeit oder am Wochenende geht man auch gerne zusammen weg.

Besonders gut eigenen sich dazu die Spiele der deutschen bzw. brasilianischen Mannschaft. Für beide sind wir freigestellt und dürfen früher von Arbeit gehen. Ohnehin flippen die Brasilianer zur WM total aus. Jeder hat frei, wenn die Selecao spielt - es ist unglaublich. Bereits Stunden vor Anpfiff verstopfen tausende Autos die Straßen, alle wollen nach Hause und versuchen sich durch zu Hupen. Der Anteil an Personen mit brasilien Trikot oder zumindest Landesfarben liegt bei gefühlten 70%. Nicht auszudenken was passiert, wenn die Weltmeisterschaft gewonnen werden würde....


Donnerstag, 3. Juni 2010

Ein neuer Abschnitt beginnt....

In der zweiten Sprachschulwoche lief es schon erheblich besser. Nach relativ kurzer Zeit gewöhnt man sich doch an eine Sprache, wenn man andauernd in Kontakt mit ihr kommt. Ein besonderer Ausflug ereignete sich am Mittwoch. Wir besichtigten das höchste Gebäude Sao Paulos, das zu dem auch noch im Zentrum der Stadt steht. Angekommen im 42. Stock konnte ich kaum glauben, was ich sah: Ein 360° Blick und in jede Richtung nur Hochhäuser bis zum Horizont. Ich war auch in Vancouver, Seattle und San Francisco auf hohen Gebäuden und konnte auf die Skyline der Stadt gucken. Hier gab es aber kein besonderes Zentrum an dem sich alle hohen Häuser konzentrierten, sondern alles um einen herum war hoch und dicht bebaut – unglaublich.


Am letzten Tag in der Sprachschule ereignete sich dann etwas sehr eigenartiges. Meine Portugiesisch-Lehrerin, die mich sehr gut leiden konnte und ein ziemlich extrovertierter Mensch ist, begrüßte mich am Morgen aus einer Gruppe anderer Lehrer heraus mit dem erhobenen und herausgestreckten rechten Arm. Als ich sie daraufhin sehr erstaunt und gar nicht amüsiert ansah, dachte sie, ich hätte die Geste nicht verstanden und sprach auch noch die dazugehörige Grußformel. Da sich bei mir immer noch keine Heiterkeit einstellen wollte, fragte sie mich ob man das denn nicht so macht in Deutschland. Daraufhin habe ich ihr, mit meinen limitierten Portugiesisch-Fähigkeiten, erklärt, dass das in Deutschland kein normaler Mensch macht. Viel eher würde sie Probleme mit dem Gesetz bekommen, da dieser Gruß verboten ist. Ein anderer Lehrer meinte daraufhin, dass doch aber zumindest die Soldaten bei uns diese Geste noch zeigen würden...

Offensichtlich sind sich nicht mal die gebildeten Brasilianer der geschichtlichen Bedeutung bewusst, die der zweite Weltkrieg für uns als Deutsche hat. Im Allgemeinen ist das Interesse an Deutschland sehr hoch. Wenn es irgendwie um Länder in Europa geht, wird immer als erstes Deutschland genannt. Man mag hier besonders unseren Fleiß und unsere Ordnung. (Beides fehlt hier definitiv :)


Bevor ich wieder zu den schönen Sachen komme, noch eine befremdende Geschichte: Sao Paulo ist an sich eine sehr gefährliche Stadt. Von der Kriminalität ist es nicht ganz so schlimm wie Rio de Janeiro, aber dank seines Verkehrs ist Sao Paulo nicht minder gefährlich. Im Großgebiet der Stadt sterben jedes Jahr über 12.000 Menschen im Straßenverkehr (In ganz Deutschland sind es nur etwas über 5000). Einer von vielen Gründen hierfür ist ganz einfach, dass viele Leute nicht Autofahren können. Zu Wahlkampfzeiten ist es normal das Führerscheine einfach verschenkt werden. Es gibt einen TV-Sender der Live zu Verfolgungsjagden und Schießereien mit der Polizei schaltet, das Ganze wird dann aus dem Helikopter gefilmt. Ich sah auf dem Sender auch schon, dass ein betrunkener Mann noch im Polizeiauto interviewt wurde, nach dem er 1 Stunde zuvor 3 Menschen durch einen von ihm verursachten Unfall getötet hatte. So etwas ist absolut schockierend und bei uns zum Glück nicht vorstellbar!


Wie versprochen nun die erfreulichen Tatsachen: Ich habe ein Zimmer gefunden!

Besser gesagt, es ist ein kleines Appartement mit Küche und Bad. Zur Zeit ist es noch sehr sporadisch eingerichtet, aber ich werde versuchen es wohnlicher zu gestalten (Fotos folgen). Das Beste an der Bleibe ist, dass diese sich in der Nähe meines Arbeitsplatzes befindet. Ein schöner 30min Gang zur Arbeit erspart mir den vollgestopften Bus.


Auch die erste Arbeitswoche habe ich bereits hinter mir. Hier sind gerade Feiertage und daher ging die Woche für mich nur von Dienstag zu Mittwoch. Der erste Arbeitstag war schon sehr spannend, besonders im Vorfeld. Das Paket meiner Eltern, in den alle meine Hemden, der Anzug, die Schuhe usw sind, ist natürlich nicht rechtzeitig angekommen. Daher musste ich mir noch ein Hemd und Schlips kaufen, damit wenigstens oben herum alles passte. Die Kombination mit meinen grünen Mittelamerika-Treckingschuhen und einer braunen Stoffhose, war absolut einmalig und auf jeden Fall ein Hingucker im Gegensatz zum einheitlichen Büro-Alltag. Der nächste Fehler war dann, dass ich sagte, dass ich etwas portugiesisch spreche. Daraufhin wurde ausschließlich in dieser Sprache mit mir gesprochen. Denn anders als ich erwartet habe, arbeiten doch überwiegend Portugiesen in der Deutschen Auslandshandelskammer und diese können zum großen Teil kaum deutsch. So wurde ich durch die einzelnen Abteilungen geführt und fast jedem Mitarbeiter vorgestellt. Zum Glück ähnelten sich die Fragen der Kollegen und nach dem 20sten konnte ich dann auch auf portugiesisch einigermaßen antworten. In meiner Abteilung (Außenwirtschaft) arbeite ich mit 2 anderen Deutschen (24 und 30 Jahre alt) und 3 jungen brasilianischen Mitarbeitern, sowie 2 brasilianischen Vorgesetzten zusammen. Die Stimmung ist soweit ziemlich herzlich und offen. Bisher habe ich nur einen kleinen Einblick in meine Aufgaben erhalten, daher werde ich das erst im nächsten Blogeintrag etwas ausführlicher beschreiben können.


Bis dahin,


Alles Gute Mautschi